Omnibus: Darum geht‘s
Die in der EU verabschiedete Richtlinie zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht von Unternehmen (CSDDD) und die Richtlinie über ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) waren nicht perfekt, aber ein Meilenstein auf dem Weg zu gerechteren, nachhaltigeren Wertschöpfungsketten, gerade im Bekleidungs- und Schuhsektor:
- CSRD lieferte gemeinsame Standards für die Berichterstattung in der EU.
- CSDDD bot einen glaubwürdigen Weg zur Rechenschaftspflicht der Unternehmen für Arbeitende, Gewerkschaften und alle Opfer von Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen.
Hier wurden klare Verpflichtungen bezüglich der Sorgfaltspflichten der Unternehmen im Bereich Menschenrechte und Umweltschutz definiert, die internationalen Standards wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitlinien für verantwortungsbewusstes Handeln für multinationale Unternehmen entsprechen.
Fehlgeleitete Deregulierung
Leider hat die EU-Kommission die gerade verabschiedeten Richtlinien mit ihrem Omnibus-Vereinfachungspaket wieder zurückgenommen. Damit werden die wichtigsten Bestimmungen der CSDDD ausgehöhlt und reale Risiken für Beschäftigte im Textilsektor weltweit beibehalten.
Die Kampagne für Saubere Kleidung lehnt den Vorschlag der Kommission ab, beim Schutz der Arbeits- und Menschenrechte und der Umwelt zurückzurudern.
Im folgenden Text findet ihr eine kurze Analyse der Änderungen zusammen mit praktischen Empfehlungen für EU-Parlamentarier*innen (MdEP) und EU-Mitgliedsstaaten, um den Omnibus-Kurs zu korrigieren und Arbeits- und Menschenrechte und die Umwelt zu schützen.
Die Vorschläge der Kommission und unsere Forderungen
1. Geltungsbereich der Wertschöpfungskette
2. Rechtssicherheit für Unternehmen und Arbeiter*innen
3. Verwaltungsrechtliche Sanktionen
4. Einbeziehung von Interessengruppen
5. Regelmäßige Überwachung
6. Die CSRD
1. Geltungsbereich der Wertschöpfungskette
Was ist der risikobasierte Ansatz?
Die CSDDD verpflichtete mit einem risikobasierten Ansatz Unternehmen, in einem ‚Mapping’
- ihre gesamte Lieferkette in den Blick zu nehmen und
- anschließend ihre Sorgfaltspflicht auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen am wahrscheinlichsten schwerwiegende negative Auswirkungen auftreten können.
Das heißt, dass Unternehmen ihre Ressourcen zielgerichtet einsetzen sollen, „wenn sie Risiken in ihrer Lieferkette identifizieren und adressieren.“
Der Vorschlag der Kommission dagegen verpflichtet die Unternehmen, sich lediglich auf direkte Geschäftsbeziehungen zu konzentrieren. Erst bei plausiblen Informationen darüber, dass im Rahmen indirekter Geschäftsbeziehungen Beschädigungen der Umwelt oder der Menschenrechte zu erwarten sind, müssen Unternehmen weitergehend tätig werden, dann kaskadenartig durch alle Etappen ihrer Lieferkette.
Hinzu kommt: Die Unternehmen dürfen nur Informationen von Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten verlangen und müssen sich auf deren Zusicherung verlassen, dass der Verhaltenskodex des Unternehmens eingehalten werde.
Unsere Kritik: Dieses Vorgehen erhöht den bürokratischen Verwaltungsaufwand für die Unternehmen und schafft es nicht, schlimmste Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen zu bekämpfen. Es stützt sich meist auf mangelhafte Bewertungspapiere und Prüfberichte, wie wir aus Erfahrung in der Vergangenheit wissen, und verursacht hohe Folgekosten entlang der Lieferkette der Unternehmen.
Wir fordern: Zurück zum risikobasierten Ansatz
- Die Mitglieder des Europäischen Parlaments (MEP) und die Mitgliedstaaten sollten zu einem risikobasierten Ansatz zurückkehren. Wenn erforderlich könnten mit einer vereinfachten Formulierung in Artikel 8 der CSDDD die Unternehmen klar verpflichtet werden, zunächst eine umfassende Risikobewertung, -kartierung und -priorisierung vorzunehmen und dann zur Bewältigung potenzieller und tatsächlicher negativer Auswirkungen überzugehen.
- Die Abgeordneten und die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die Verantwortlichkeiten zwischen den betroffenen Unternehmen und den Geschäftspartner*innen angemessen aufgeteilt werden.
2. Rechtssicherheit für Unternehmen und Arbeiter*innen
Der ursprüngliche CSDDD-Text führte eine gemeinsame, harmonisierte Regelung für die 27 Mitgliedstaaten ein, nach der Unternehmen für Schäden haftbar gemacht werden können. Es war ein Ansatz, der die Rechtsklarheit förderte.
Mit dem Omnibus-Vorschlag wird die in Artikel 29 Absatz 1 des Textes festgelegte harmonisierte zivilrechtliche Haftungsregelung gestrichen, während die Bestimmungen über den Zugang der Opfer zum Recht beibehalten werden.
In der Praxis vergrößert das die Rechtsunsicherheit sowohl für die Opfer als auch für die Unternehmen, die unter die Richtlinie fallen.
- Arbeiter*innen müssten sich in 27 verschiedenen Systemen des Deliktrechts zurechtfinden, wenn sie Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden verlangen wollen.
- Unternehmen werden sicherstellen müssen, dass die Rechtssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten eingehalten wurden.
Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, die überschießenden zwingenden Bestimmungen über das anwendbare Recht zu streichen. Das bedeutet, dass sich Opfer und Unternehmen fragen werden, welches Recht im Einzelfall gilt.
Wir fordern: zivilrechtliche Haftungsregeln
Um die Rechtssicherheit für die Opfer und die betroffenen Unternehmen zu erhöhen, sollten die Abgeordneten und die Mitgliedstaaten die ursprünglich in der CSDDD vorgesehene harmonisierte zivilrechtliche Haftungsregelung wieder einführen. Zudem sollten sie die in Artikel 29 festgelegte zwingende Vorschrift wieder einführen.
3. Verwaltungsrechtliche Sanktionen
Die CSDDD ermöglicht den von den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene benannten Aufsichtsbehörden, Geldbußen zu verhängen, wenn Unternehmen gegen die Richtlinie verstoßen.
Auch wenn Aufsichtsbehörden ihre eigenen Geldsanktionen festlegen dürfen sieht die Richtlinie vor,
- dass sich die Geldbußen am Umsatz eines Unternehmens orientieren und
- dass mindestens 5 % des weltweiten Nettoumsatzes (bzw. des konsolidierten Nettoumsatzes im Falle einer Unternehmensgruppe) betragen müssen.
Im Omnibus-Vorschlagsbereich der Wertschöpfungskette ist dieser harmonisierte Ansatz gestrichen. Das bedeutet: Die Aufsichtsbehörden haben keine gemeinsamen Leitlinien für die Festlegung von Geldsanktionen. Dies birgt die Gefahr, dass Unternehmen einen Anreiz haben werden, ihre Geschäfte in Mitgliedstaaten mit niedrigeren Strafen zu führen.
Die Erfahrungen mit der Umsetzung der Verordnung über Konfliktmineralien, der EU-Holzverordnung und der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken zeigen, dass die nationalen Behörden sehr unterschiedliche Geldbußen verhängen, wenn es keine harmonisierten Leitlinien gibt.
Wir fordern: Harmonisierte Beträge
Die Abgeordneten und die Mitgliedstaaten sollten wieder harmonisierte Beträge für Geldsanktionen einführen, um gleiche Bedingungen für alle Mitgliedstaaten zu schaffen.
4. Einbeziehung von Interessengruppen
Der ursprüngliche Text der CSDDD sieht im Einklang mit internationalen Leitlinien eine sinnvolle Einbeziehung der Stakeholder*innen in jedem Schritt des Due-Diligence-Prozesses vor. Die Einbindung von Stakeholder*innen kann sicherstellen, dass Unternehmen tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen richtig erkennen und angehen. Sie kann einen fruchtbaren Informationsfluss zwischen Unternehmen, potenziell und tatsächlich betroffenen Stakeholder*innen, Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft schaffen.
Der Omnibus-Vorschlag verfolgt einen restriktiven Ansatz, der einer ordnungsgemäßen Due-Diligence-Prüfung nicht förderlich ist, wenn Unternehmen nur diejenigen konsultieren, die von ihren Tätigkeiten direkt betroffen sind. Vor allem Organisationen der Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen werden von der Definition in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe n) ausgeschlossen.
Zusätzlich wird in dem Vorschlag die Verpflichtung zur Konsultation von Interessengruppen in zwei wichtigen Schritten des Sorgfaltsprüfungsprozesses gestrichen:
- in Fällen der Aussetzung einer Geschäftsbeziehung und
- bei der Entwicklung von Überwachungsindikatoren.
Der Vorschlag der Kommission entleert den CSDDD seiner wichtigsten Bestimmungen und birgt reale Risiken für Beschäfrigte im Bekleidungssektor weltweit.
Wir fordern: Einbeziehung von Zivilgesellschaft und Interessengruppen
- Die Abgeordneten und die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass Organisationen der Zivilgesellschaft einbezogen werden, deren erklärter Auftrag der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt ist. Das ist in der Definition des Begriffs „Interessenvertreter“ im aktuellen Text vorgesehen. Die Einschränkung, nur „relevante“ Stakeholder*innen sollten konsultiert werden, ist ebenfalls fehlgeleitet.
- Die Abgeordneten und die Mitgliedstaaten sollten die Verpflichtung für Unternehmen wiederherstellen, bei der Aussetzung von Geschäftsbeziehungen und bei der Entwicklung von Überwachungsindikatoren die Interessengruppen zu konsultieren.
5. Regelmäßige Überwachung
Die ursprüngliche Fassung der CSDDD sieht vor, dass Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten regelmäßig bewerten und bei wesentlichen Änderungen Risiken und Auswirkungen aktualisieren müssen, mindestens aber alle zwölf Monate.
Der Omnibus-Vorschlag erhöht den Aktualisierungszeitraum auf fünf Jahre. Ein derart langer Überwachungszeitraum steht nicht im Einklang mit internationalen Standards. Er birgt die Gefahr, Anreize für Sorgfaltsprüfungsverfahren zu schaffen, die nicht auf wesentliche Veränderungen vor Ort reagieren und Risiken und Auswirkungen angemessen bekämpfen können. Die OECD-Leitlinien für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln fordern die Unternehmen auf, ihre Sorgfaltspflichten – einschließlich der Ziele und Indikatoren – zu aktualisieren, wann immer dies als relevant erachtet wird.
Wir fordern: Aktualisierung der Sorgfaltspflichten mind. alle zwölf Monate
Die Abgeordneten und die Mitgliedstaaten sollten von den Unternehmen wieder verlangen, dass sie ihre Sorgfaltspflichten nach Bedarf, mindestens aber einmal jährlich aktualisieren.
6. Die CSRD
Diese Richtlinie zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht und Berichterstattung zur Nachhaltigkeit verlangt von den Unternehmen eine „doppelte Wesentlichkeitsbewertung“ der Auswirkungen, Risiken und Chancen ihrer Tätigkeit sowie einer Reihe von Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen. Diese sind in drei Ebenen unterteilt:
- eine übergreifende Ebene,
- eine sektorspezifische Ebene und
- eine unternehmensspezifische Ebene (falls erforderlich).
Der Omnibus-Vorschlag zielt auf Abschaffen der sektorspezifischen Ebene. Außerdem soll das Normungsgremium (EFRAG) narrative Datenpunkte zugunsten quantitativer Datenpunkte verringern. Diese angebliche Vereinfachung ignoriert die Tatsache, dass die Risiken in vielen Hochrisikosektoren bereits bekannt sind.
Der Vorschlag würde es den Unternehmen erschweren, ihre doppelten Wesentlichkeitsbewertungen durchzuführen – sie müssten das Rad neu erfinden, anstatt gut etablierte sektorale Risikoprofile zu verwenden. Die meisten Berichtspunkte zu Beschäftigten in der Lieferkette, betroffenen Gemeinschaften und Verbraucher*innen sind von vornherein narrativ, um das Ankreuzen von Kästchen ohne echte Auswirkungen zu vermeiden.
Wir fordern: sektorspezifische Standards und wirkungsorientierte Berichterstattung
- Die Abgeordneten und die Mitgliedstaaten sollten auf sektorspezifischen Standards bestehen, da diese bekannte Risiken abdecken, den Unternehmen eine Orientierungshilfe bieten und verhindern, dass die Unternehmen zusätzliche Indikatoren entwickeln müssen.
- Die Abgeordneten und die Mitgliedstaaten sollten darauf bestehen, dass die Berichterstattung über die Arbeiter*innen in der Lieferkette, die betroffenen Gemeinschaften und die Verbraucher*innen solide und wirkungsorientiert ist und keine bloße Abhak-Übung wird.
Der Omnibus-Vorschlag birgt die Gefahr, dass die Sorgfaltspflicht und die Berichterstattung im Bereich der Nachhaltigkeit für die Unternehmen noch komplexer und für die Rechteinhaber*innen noch weniger wirksam werden. Die Kampagne für Saubere Kleidung wendet sich gegen den Rückzieher der Kommission beim Schutz der Arbeits- und Menschenrechte sowie der Umwelt.
Beitragsbild: © Ralph from Pixabay






